"Warum ich mich an einem Sonntagmittag im Oktober bei der überdurchschnittlich großen Auswahl an Gaststätten ausgerechnet für die Glocke entschieden habe, kann ich nicht sagen. Vielleicht war es die hauseigene Metzgerei, die in der Regel Garant für eine gute Fleischqualität ist. Das örtliche Publikum entspricht dem der Wirtschaft einer Kleinstadt, allerdings durchmischt mit Touristen aus aller Welt. Zu den Essenszeiten ist jeder Platz besetzt. Man sollte also versuchen, vorher zu reservieren, darf aber auch dann nicht damit rechnen, einen gesonderten Tisch zu bekommen, außer man braucht acht Plätze. In Franken, wie auch im übrigen Bayern, war es schon immer üblich, sich im Wirtshaus keinen einzelnen Tisch sondern einen freien Platz an einem der großen Tische suchen. In der Regel stört es hier niemanden, mit Fremden zusammen zu sitzen. Im Gegenteil kann das sehr kommunikativ und unterhaltsam sein. Auch die Einrichtung und die Bedienung unterstreichen den traditionellen Charakter der Glocke. Die Möbel sind zweckmäßig, die Kellnerin strahlt eine ehrliche Freundlichkeit aus, hat aber den Laden und ihre Gäste auch voll im Griff. Ich habe mich hier gleich wohl gefühlt, weil mich schon die ganze Atmosphäre an die Mitte der 1970er Jahre erinnerte, als meine gastronomische Karriere als Gast begonnen hat. Das Angebot entspricht dem, was man in einer Wirtschaft in Mittelfranken erwartet, wobei teilweise die Nähe zu den württemberger Schwaben unverkennbar ist. Die Karte wird in vermutlich unregelmäßigen Abständen geändert, wobei Aktualisierungen darin bestehen dürften, dass beispielsweise das Spanferkel gegen ein Schäufele getauscht wird und umgekehrt. Ich war in einer Spanferkelphase dort und wurde nicht enttäuscht. Freilich gibt’s weniger resche Kruste als beim Schäufele, aber dafür auch kaum Fett. Trotzdem war das Fleisch nicht nur sehr schmackhaft, sondern auch zart und saftig. An den Knödeln und der Soße hatte ich rein gar nix auszusetzen. Der Beilagensalat präsentierte sich so, wie ich ihn schon in meiner Jugend im Wirtshaus gegessen habe. Wer süffige Biere bevorzugt, sollte sich für das Helle entscheiden, das samtig die Kehle herunterläuft. Zum Abschluss gab es ebenfalls ganz traditionell einen doppelten Willi aus dem Schnapstamperl. Das Preis-Leistungsverhältnis ist äußerst ausgewogen. Alle, die keine kulinarischen Highlights sondern authentische Wirtshausküche suchen, sind hier richtig aufgehoben."